The Hans in Zagreb: Wo die Fische noch frisch sind …

Wegen Kroatiens zerklüfteter Küste gibt es nach wie vor einen einzigartigen Fischreichtum. Die Fischereiflotten können hier ihre Fangnetze nicht effektiv einsetzen. Daher auf nach Zagreb, um die besten Meeresfrüchte Europas zu genießen.

ES WAR KURZ NACH DEM BALKANKRIEG Ende der 90er-Jahre. Kroatien war endlich wieder unabhängig, und die Hauptstadt Zagreb blühte auf. Natürlich noch immer kommunistisch-grau, aber an allen Ecken und Enden machten neue Restaurants und Konobas auf – mit einer Auswahl an Fisch, von derer man daheim in deutschsprachigen Landen nur träumen konnte.

Frischer Tunfisch, Petersfisch und Doraden, Oktopus, Kalmar und Sepia – alles war plötzlich in den Vitrinen zu finden, aus Istrien und Dalmatien über Nacht in die Hauptstadt gebracht. „Wieso gibt’s an der Adria so viel mehr frisches Seafood wie an der Riviera?“, habe ich meine Wirtshausfreunde gefragt. Ganz einfach, kam die spontane Antwort. Wegen der Kriegsjahre sei viel weniger gefischt worden. Und die zerklüftete Küste gibt den Fischen seit jeher mehr Rückzugsmöglichkeiten, sodass die großen Fangnetze der Fischereiflotten hier auch nicht so effektiv eingesetzt werden können.

Gott bewahre mich vor dem, was noch ein Glück ist, hat die Tante Jolesch des unvergessenen Friedrich Torberg immer gesagt. Recht hat sie, aber der Krieg ist vorbei, und die zerklüftete Küste ist geblieben und damit auch der Fischreichtum an der östlichen Adria. Und deshalb gibt es abseits von Paris keine europäische Hauptstadt, wo es bessere frische Meeresfrüchte gibt wie in Zagreb, dem altösterreichischem Agram. Darf man das heute überhaupt noch sagen?

Die Restaurants, die gleich nach dem Krieg meist von heimkommenden Exilkroaten aufgemacht worden sind, gibt’s noch immer. Zum Beispiel das „Gallo„, ein schönes Kellerlokal in der City, wo der Wagen mit dem Seafood zum Tisch gerollt wird – aufs bevorzugte Schuppentier zeigen, und eine halbe Stunde später ist es auf dem Tisch. Einfach mit Rosmarin, Basilikum und Thymian gewürzt und mit Kartoffeln und Mangold an der Seite. Mit Knoblauch wird weder im „Gallo“ noch sonst wo gespart. Sowohl der französische Präsident Macron als auch Beyoncé und die Fußballer von Real Madrid haben diese Knoblauchattacke überstanden.

Das „Dubravkin Put“ am Waldrand im Norden der Hauptstadt war in der kommunistischen Zeit eher für Würste und Cevapcici bekannt. Nach der Wende hat man sich aber auch auf Meeresgetier und „Fine Dining“ umgestellt. Besonders die Carpaccios vom Oktopus oder der Jakobsmuschel, die Fischsuppe sowie die Risottos von Chef Ivan Sučević kann ich empfehlen. Wenn es einigermaßen warm ist, unbedingt im Freien reservieren, im schönsten Gastgarten von Zagreb.

Nachgelassen hat ein Evergreen der kulinarischen Szene, das „Bistro Apetit„. Einst hochgekocht vom Kärntner Christian Cabalier (jetzt am Klagenfurter Markt tätig), aber von Nachfolger Marin Rendić in die Mittelklasse zurückversetzt – mit Fischfilet, Rib-Eye oder Rehfilet. Nicht schlecht, aber unspektakulär im Gegensatz zur wunderschönen Lage im nördlichen Villenviertel.

Die Topadressen

Das Noel. Moderne kroatische Küche - vom Feinsten. (c) Noel

Das „Noel„, da vertrau ich meinem in Zagreb ansässigen Gourmetfreund Christoph und dem „Michelin“, ist die Topadresse in Zagreb. Gleich um die Ecke vom schönsten Hotel, dem Esplanade, hat sich der junge Chef Bruno Vokal schnell einen Namen mit moderner, „überarbeiteter“ kroatischen Küche gemacht: Eine Forelle aus dem nahen Krka-Fluss mit Meerrettich und Tapioka, eingelegte Sardinen aus der Adria, Jakobsmuschel mit Steinpilzen, wilder Branzino mit Apfel und Morcheln und einem grandiosen Topfenstrudel zur Nachspeise, allerdings zum stolzen Preis von 1.285 kroatischen Kuna, immerhin 170 Euro, kein Geschenk also.

Aber es gibt auch Alternativen, alle deutlich günstiger. Zum Beispiel das „NAV“ beim Nationaltheater. Chef Tvrtko Šakota kocht nur ein Menü für alle Gäste, 16 kleine Gänge, serviert in Wohnzimmeratmosphäre im ersten Stock, wobei der Koch bei den meisten Gängen eine Geschichte über die Herkunft der eingesetzten Lebensmittel für die maximal zwölf Gäste zum Besten gibt. Etwas anstrengend, aber das Essen ist interessant.

Die Blinis gibt’s mit schwarzen Linsen (kroatischer „Kaviar“), die Nudeln mit Walnuss-Miso-Sauce und schwarzem Trüffel, die Sardine mit Mangold und Feigenhonig, das Reh kommt mit eingelegten Trauben, und das Ćevapčići ist aus faschiertem Dry-aged-Beef. Drei grandiose Desserts (Höhepunkt: Krapfen mit Karamell) zum Abschluss komplettieren sein wirklich spannendes Menü.

Oder man reserviert im „ManO2“ (nicht mit dem 1er zu verwechseln, dort gibt es nur Steaks), wo sieben Gänge vom Krabbensalat über Roastbeef mit Kimchi bis zum Steinbuttfilet mit jungem Kohl und Kaninchenragout in der Pilzsoße serviert werden. Auch das neue „The Atrium“ (befindet sich tatsächlich im Atrium des Jugendtheaters) ist eine ambitionierte Alternative für alle, die eine moderne kroatische Küche verkosten wollen, Überraschungen inklusive. Filipp Horvai gilt als aufgehender Stern in der Kulinarik von Zagreb. Seine Donuts, wahlweise gefüllt mit Scampi oder Schweinefleisch, das Oktopus-Seeigel-Risotto und der handgeangelte Seehecht mit roter Bete, Zucchini und Mangold zeigen sein Potenzial.

Jetzt aber genug vom „Fine Dining“. Wer nach Zagreb kommt, möchte ja auch eine richtige Konoba, also ein echtes Wirtshaus besuchen. Und davon gibt’s in der Hauptstadt viele – aber nur einige, zu deren Besuch man wirklich raten kann, denn oft hapert es an der Qualität. Das bekannteste ist das „TAČ„, Lieblingslokal von Präsident Zoran Milanović, der hier zu Mittag seine Tafelrunden versammelt. Das Ehepaar Miletić führt am Vrhovec-Hügel ein klassisches gehobenes Wirtshaus. Gemüsesuppe, Thunfischsalat und zarte Rinderbäckchen: Der sozialdemokratische Staatschef weiß schon, warum das „TAČ“ sein Lieblingsplatz ist.

Die konservative Politik-Klientel zieht es in den Süden, in die Konoba „Ponistra„. Nach außen eine Bretterbude, innen wackelige Tische und Sessel, aber dort habe ich die beste Fischsuppe Zagrebs genossen, ehrlich.

Kroatische Hausmannskost

Auch das „Beštija“ in der Stadt liefert solide Hausmannsküche – Karottensuppe, Garnelenrisotto und für den, der es mag, ein Pferdesteak mit grünem Spargel. Wenn mein 15-jähriges Pferdemädchen dabei ist, such ich mir besser ein anderes Wirtshaus.

Zum Beispiel das „Didov san“ – das heißt so viel wie „Großvaters Traum“, ist aber auch meiner, wenn’s um ein zünftiges Familienessen geht.

Eine herrliche Schinken- und Käseplatte, alle Sorten aus Kroatien, gebackener Tintenfisch und Calamaretti mit Ofenkartoffeln und für die ganze Familie eine sogenannte Großvater-Pfanne mit Kalbs- und Schweineschnitzel samt mitgebratenem, dicken Speck. Nachher sollte man dreimal um die Burg laufen, will man die Kalorien-Attacke unbeschadet überstehen.

Oh ja, eines noch: Dazu trinkt man am besten einen weißen Malvazija aus Istrien oder einen Posip von der Insel Korcula, nachher einen roten Plavac Mali, den hat man schon im alten Jugoslawien geschätzt. Zum Schluss anstoßen auf die zerklüfteten kroatischen Küsten, die uns den frischen Fisch bis heute bewahrt haben. Und hoffentlich auch in der Zukunft bewahren werden.

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