Und täglich köchelt das Murmeltier!

Nirgendwo sonst gibt es mehr Sterne und Hauben als am Arlberg. Ich habe drei absolute Lieblingslokale, finde aber Teile der Lecher Szene ziemlich arrogant.

Die schauen ja wirklich herzig aus

die Murmeltiere. Am Arlberg werden sie aber manchmal zur Landplage -sie graben ihre Tunnel auf den Weiden und verringern damit das ohnehin nicht so zahlreiche Grün in luftiger Höhe. Deshalb landen einige der putzigen Tiere neuerdings auch im Kochtopf. Und täglich köchelt das Murmeltier, darf man in Abwandlung des berühmten Filmtitels fabulieren.

(C) Fuxbau

Das Murmeltier-Gulasch ist eine der Spezialitäten des „Fuxbaus„, eines geschmackvoll renovierten Wirtshauses in Stuben am Arlberg. Weil der Vater Jagdaufseher und Jäger der nahen Berggründe ist, kommt Chef Tobias Schöpf leicht zu seiner Beute: „Ist mühsam zuzubereiten, weil so wenig Fleisch überbleibt!“, klagt er. Unter dem verständlichen Protest meiner 14-jährigen Tochter habe ich dieses spezielle Arlberg-Gulasch tatsächlich gekostet. Schmeckt zwischen Wildschwein und Karnickel, gar nicht schlecht -wird aber nicht meine Lieblingsspeise werden. Genauso wenig wie das Filet vom Steinbock, das immer ein wenig zäh bleibt. Kein Wunder bei der durchgängig sportlichen Lebensweise des Bocks, der tagtäglich von Fels zu Fels hüpft.

Kulinarikhochburg Arlberg

(C) Rote Wand

Aber ich sollte nicht gleich zu Beginn abschweifen, denn eigentlich ist ja ein Report über die Kulinarikhochburg Arlberg vorgesehen. Nirgendwo in Österreich gibt’s so viele Sterne, Hauben (oder wie die beliebten Auszeichnungen sonst heißen mögen) pro Einwohner wie hier. Und das zu Recht.

Wer etwa das „Schualhus“ in der gemütlich-schicken „Roten Wand“ von Joschi Walch, dem ehemaligen Formel-1-Caterer, besucht, der erlebt ein Furioso an Kulinarik-Ideen und Geschmacksnuancen, die man kaum anderswo in österreichischen und deutschen Landen serviert bekommt. Dass Max Natmessnig „Koch des Jahres 2022“ bei Gault-Millau wurde, ist nachvollziehbar. An der rund um die offene Küche angelegten Theke serviert er 19 kleine Gänge, intensiv und geschmacksexplosiv, wie im Drei-Sterner „Brooklyn Fare“ in New York, wo ihn der Joschi Walch entdeckt und an den Arlberg gelotst hat.

Max versucht den Spagat zwischen einheimischer, lokaler Küche und internationalem Flair -und er gelingt: Geflügelleber mit Johannisbeere und Tunfischbauch mit Buttermilch, Seeigel mit Kürbis und Carabinero mit Speck, Saibling mit Kernöl und Taube mit Blutwurst – eine Tour de Gourmet am Arlberg. Dass er nach drei Jahren am Arlberg Heimweh nach dem großen New York hat, dementiert er: „Ich fühl mich wohl, habe grandiose Gäste und kann machen, was ich will und was den Menschen schmeckt – mir geht’s bestens hier!“ Na dann, dem Joschi und seinen Gästen ist das zu gönnen.

Ein wenig anders -

(C) Griggeler Stuba

bei gleichen Preisen, nämlich über 200 Euro, wir sind halt am Arlberg -werkt Matthias Schütz in der „Griggeler Stuba“ in Oberlech, wo er letztes Jahr das Kommando vom Alpenzampano Thorsten Probost übernommen hat. Während dieser eine eher regionale Linie zum Erfolg geführt hat, ist Nachfolger Schütz international eingestellt: „Regional kochen alle, ich will ein bisserl drüberstehen und einfach das Beste servieren, woher es auch kommt!“ Da gibt’s dann Amurkarpfen mit Chinesischem Pfeffer, Kaviar zum Queller, Ente mit grünem Kardamom und Essig-Brombeere mit Yauthli, einer asiatischen Heilpflanze, die laut Wikipedia gegen Durchfall, Schlangenbiss und Malaria helfen soll, aber auch ohne Krankheitsanlass manierlich schmeckt.

Fünf Minuten wandern

(C) Lech Zürs

Fünf Minuten wandert der Gast dann glücklich und zufrieden zurück zur Gondel von Oberlech, wo man im Übrigen auch andere Erfahrungen machen kann. Tags darauf wird im „Goldenen Berg“ ein schrecklicher Kaiserschmarren auf den Tisch gestellt -dicke Brocken von fettem Mehlauflauf, den zu trennen es eines schneidigen Messers bedarf. Und auf der Terrasse des „Petersboden“ wird dem Skihaserl eine absurde Rechnung präsentiert – 1,50 Euro für heißes Wasser (zum Verlängern eines bereits bezahlten Espressos) zeugen von der Arroganz eines Teils der Lecher Gastronomie, die einfach nur peinlich ist.

Denn eines ist klar: Lech hält sich schon für etwas Besonderes, für das der p. t. Gast auch ordentlich zu blechen hat: 500 Euro für einen Skilehrer, der eine vierköpfige Familie für fünf Stunden unter seine Fittiche nimmt (Verpflegung des Skilehrers extra), ein generell extrem hohes Preisniveau inklusive der erwähnten Extralöhnung für heißes Wasser halten „normale“ Gäste vom Arlberg fern -vielleicht wird man sie noch einmal brauchen, wenn sich auch die „honorablen“ Gäste von weit und fern nicht mehr alles gefallen lassen.

Noch eine Arlberger Wehklage: Viele Skihütten am Berg bieten entweder „Internationales“ oder sogar Berliner Currywurst an, ordentliche Käsespätzle und Vorarlberger Hausmannskost gibt’s nur noch in Einzelfällen. Aber auch unten in Lech, Zürs und Stuben sind normale Wirtshäuser eine Seltenheit geworden. Da sollten sich die alemannischen Freunde die Tiroler Nachbarn zum Vorbild nehmen. Auch die haben sogenannte „Nobelorte“, aber man ist sich nicht zu vornehm, ein ordentliches Tiroler Gröstl anzubieten, das auch die durchaus betuchten Gäste erfreut.

Trotzdem, zwei Tipps für Hausmannskost habe ich auch am Arlberg anzubieten, beide – wie das „Schualhus“ – im fünf Kilometer von Lech entfernten Ortsteil Zug, der sich immer mehr zur Gourmetinsel des Arlbergs mausert. Im „Klösterle„, gleich neben der Endstelle des Skibusses, werken Jakob aus Südtirol und seine Ethel aus Singapur. Sie kaufen nur bei ausgesuchten Vorarlberger Hoflieferanten und haben die einheimische Kost weiterentwickelt. Nach dem herrlichen Speck zum Einstieg folgen Kastanienbusserl mit Rhabarber, eine Rehterrine mit selbst eingelegten Gemüsen, Karpfen mit Latschenkiefer und ein Rothirsch mit geröstetem Buchweizen. Alles in der Mitte angerichtet – zum Teilen für die Tischgesellschaft.

Und wer es richtig zünftig haben möchte,

(C) Gasthaus Älpele

der muss vier Kilometer weiter ins Tal rein durch den Schnee stapfen – oder er lässt sich von Wirt Franz-Josef mit dem Schneemobil abholen (nur abends!). Ich hab’s stöhnend nach einer Stunde zu Fuß geschafft. Dann steht man vor dem 300 Jahre alten „Älpele„, einem der letzten echten Wirthausjuwele am Arlberg, viel Holz, viel Tradition, viel Spaß. Eine wunderbare Brettljause. Dann endlich perfekte Kässpätzle, grad richtig mit dem Käs vermengt und mit leicht angebratener Zwiebel obenauf, wie sich’s gehört. Eine vom Franz-Josef selbst hergestellte Hirschwurst mit Sauerkraut. Und als Höhepunkt ein flaumiger Kaiserschmarren mit Zwetschgenröster.

Alle Restaurant Tipps auf einer Karte

5 Empfehlungen

Weitere Tipps und Empfehlungen