Tops und Flops in Manhattan
Erwartungsvoll bin ich nach New York aufgebrochen, um endlich wieder meine alten Lieblingslokale aufzusuchen. Doch dann habe ich einige Enttäuschungen erlebt. Aber lesen Sie selbst.
Rauf in den 100. Stock!
Bis zum 100. Stock geht’s mit dem Aufzug. Dann rein in den Overall, anschnallen und die letzten 40 Höhenmeter außen über 132 Stufen hochkraxeln. Freischwebend am Gurt kann man dann 400 Meter vom Wolkenkratzer runterschauen auf Manhattan.
„The Climb“ am Hudson River ist die neueste Attraktion im Big Apple. Und ehrlich gesagt, ich hab mich da nicht rausgewagt auf die Skyscraper-Treppe in luftiger Höhe. Die Töchter, 20 und 14, hatten Spaß daran, und ich war nur heilfroh, als beide unversehrt wieder unten angekommen sind.
Beim jüngsten Nach-Pandemie-Besuch in New York habe ich mich mehr auf das Abenteuer Kulinarik konzentriert. Leider gibt es wenig Neues, Corona hat dem Geschäft mit Essen und Trinken extrem zugesetzt. Viele kleine Lokale haben zugesperrt, selbst die großen haben nur mit Mühe die letzten zwei Jahre der Lockdowns überlebt. Überall Gastro-Plastikhütten auf den Gehsteigen, damit auch Ungeimpfte was serviert bekommen – denn drinnen werden unerbittlich die 2G-Regeln überprüft (was bei uns leider nicht selbstverständlich ist). Und das alles hat sich auch auf die Qualität ausgewirkt.
Ein Tagebuch der Enttäuschungen.
Sie lesen also keinen Bericht nach dem Motto „Was gibt es Neues“, sondern ein Tagebuch der Enttäuschungen. Zuallererst treibt es mich wie immer über die Willamsburg Bridge nach Brooklyn zum berühmtesten Steak-Lokal der Stadt, zu „Peter Luger“. Seit 40 Jahren bin ich dort im holzgetäfelten Paradelokal Stammgast, beim T-Bone für zwei, drei oder vier Personen und einem ordentlichen Roten aus dem Napa Valley. Freundlich wie immer am Tisch Lois Grünauer, Onkel des Chefs des Wiener „Grünauer“- Wirtshauses. Aber auf dem Teller merkt man die pandemiebedingte Personalnot in der Küche: Das Steak nur einseitig gebraten, der Erdäpfelschmarren mehr weich als knusprig. Nur der Preis ist nochmals angehoben worden. Alles zusammen die Legenden-Enttäuschung Nummer eins.
Nächstes Mal bleib ich in Manhattan und geh zu „Gallaghers“, wo man die abgehangenen Steaks schon von außen goutieren kann. Oder zu „Smith & Wollensky“ fürs hochgelobte Colorado Rib Steak. Und vielleicht am ehesten zu „Keens“ in Midtown. Denn das hat neben hervorragenden Steaks auch ebenso viel Tradition („since 1885“). Schon Präsident Roosevelt hat dort gesessen, und die Rauchspuren seiner Pfeife sind noch immer an der Decke zu bewundern.
Tradition mit Schmiere.
Weil wir schon bei der Tradition sind. Kein Besuch in New York ist komplett ohne einen Besuch bei „Katz’s“. Im jüdischen Delikatessenladen plus riesigem Wirtshaus bekommt am ehesten das Gefühl, wie die kulinarischen Wurzeln der Stadt ausschauen. Vor der Tür in der Houston Street wartet zu Mittag eine Schlange von ca. 80 Menschen, eine Spende von 20 Dollar an den Türsteher erspart das Anstellen. 20 Minuten später ist die Pastrami vom Stück auf das Sandwich gehobelt worden – mindestens ein Viertelkilo, das prinzipiell für eine vierköpfige Familie reichen würde. Als hätte es Covid nie gegeben, sitzen hier 300 Menschen Ellenbogen an Ellenbogen und versuchen, der Fleischflut samt Gratissalzgurken Herr zu werden oder sich den Rest einpacken zu lassen. In Bezug auf Corona also Legendenenttäuschung Nummer zwei.
Ich hasse es, wenn Esskritiker das p. t. Publikum an ihren schlechten Erfahrungen teilhaben lassen – aber sorry, es muss sein. Nach der Kalorienbombe zu Mittag soll es etwas Leichtes, was Asiatisches sein. Das „Masa“ selbst mit seinen drei Michelin-Sternen gilt als das beste japanische Restaurant New Yorks und auch als das teuerste – je nach Menü bis zu 600 Dollar (ohne Weinbegleitung natürlich, die bringt einen an die Tausender-Grenze). Das kann und will ich mir nicht leisten, daher bin ich ins eher leistbare angeschlossene Zweitlokal, in die „Bar Masa“, ausgewichen.
Na ja, was soll ich berichten? Alles einigermaßen okay – von Spicy Tuna Carpaccio über Peking Duck Foie Gras Taco zu Miso Cod und BBQ Ribs -, aber nix Besonderes. Übrigens, auf der ausladenden Weinkarte steht keine einzige Flasche unter 100 Dollar. Mit einem Wort: Legenden-Enttäuschung Nummer drei.
Ein Geheimtipp und noch eine Enttäuschung.
Da besuche ich lieber das „Blue Ribbon“ um die Ecke vom Columbus Circle, wo Ähnliches um die Hälfte des Preises angeboten wird. Selbst das kommerzielle „Nobu“, dessen kometenhafter Aufstieg zur beliebtesten Japan-Kette der Welt hier im Big Apple begonnen hat, bietet mehr und Schmackhafteres (unübertroffen der Miso Cod, Kabeljau, in Miso gedämpft). Einen Geheimtipp darf ich noch verraten, schließlich soll ja hier weniger geschimpft, sondern mehr gepriesen werden: Das „Sushi Nakazawa“ beim Central Park liefert absolute Spitzenklasse zu halbwegs vernünftigen Preisen. 120 Dollar für 21 Gänge Sushi -3 x Salmon (von heugeräuchert bis sojamariniert), 4 x Tuna (von „lean“ bis „fatty“), Garnele, Krabbe, Snapper, Makrele, Yellowtail bis zum Aal, einfach perfekt.
Eine weitere Enttäuschung muss ich noch anbringen: Jahrelang hat das „Eleven Madison“ des Schweizer Chefs David Humm zu den besten Restaurants der Welt gezählt. Mit Freuden erinnere ich mich an meinen ersten Besuch vor 15 Jahren, bei dem ich seine „New American Cuisine“ verkostet habe. Diesmal hab ich’s ausgelassen, denn David Humm hat auf total vegan umgestellt – ohne teuren Kaviar, Lobster und Wagyu Steak, verlangt aber weiterhin mehr als 300 Euro für Kohl und Karfiol, Karotte und Lauch. Er wolle unbedingt denselben Geschmack wie bisher mit Fleisch und Fisch nunmehr mit Gemüse hinbekommen, hat er vorneweg erklärt. „Schmeckt wie Möbelpolitur“, urteilte die „New York Times“. Und mein in New York lebender Freund Urs urteilte nach dem Besuch: „Kein einziger Gang so, dass man unbedingt wiederkommen will!“ Enttäuschung Nummer vier. Jetzt ist es genug, jetzt geht es nur noch positiv weiter.
Genussmomente im Big Apple.
Mit einem Besuch im besten Food Market von Manhattan zum Beispiel. Der Chelsea Market am Hudson ist ganztägig bis Mitternacht geöffnet und beherbergt alles, was kulinarisch Spaß macht: „Lobster Place“, an der Theke Austern, Krabben, Sushi, Fish & Chips und die beste Manhattan Clam Chowder. „Very Fresh Noodles“, beste chinesische Nudelsuppe. „Tings“ mit einem Jerk Chicken aus Jamaica. „Le Song“, französische Küche. Und sogar eine Berliner Currywurst wird an einem Stand angeboten. Einfach Herumflanieren und je nach Appetit zuschlagen!
Italo-Küche in New York fehlt natürlich noch auf der Liste. Mafia-Filme jeder Art haben da ja Appetit auf Trattorias gemacht, wo im Hinterzimmer gedealt und die Dollarscheine gezählt wurden. Prototypisch kann ich „Patsy’s“ empfehlen, gleich beim Broadway. Frank Sinatra hatte da einen eigenen Hintereingang, und vorne waren von Al Pacino bis Madonna alle schon drin. Oder das „Carbone“ in Greenwich Village, ähnliche Atmosphäre, nur größer. Aber für mich das beste italienische Essen wird im Marea am Central Park South serviert. Fusilli mit Octopus, Pansotti mit Lobster, Bucatini mit Krabben – klingt nicht nur gut, ist es auch.
Was wirklich im Trend liegt, ist die koreanische Küche. Bislang in deutschsprachigen Landen noch unterschätzt, boomt sie grade so richtig in New York. Fine Korean Dining im „Jungsik“ oder im „Atomix“ verlangt eine dicke Brieftasche, für Einsteiger lohnt sich vor allem ein Besuch im neuen „Jua“ in Midtown. Ich habe sie genossen, die sieben Gänge von Seeigelkaviar über das Porridge mit Fois Gras bis zum Arctic Char und der Entenbrust.
PS: Sind Sie im Big Apple und dort sogar von ein bissel Heimweh befallen? Dann auf zum besten Österreicher in New York, dem Kurt Gutenbrunner im „Wallsé“. Der Kurt serviert Spätzle, Gans mit Rotkraut und Salzburger Nockerln. Besser kriegt man die zuhause auch nicht.
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