Die Gourmet-Biennale

Als junger Mann habe ich einst in Venedig geheiratet und unweit des Markusplatzes das Hochzeitsmahl eingenommen. In diese Trattoria gehe ich heute noch. Aber ich habe natürlich auch viele weitere Tipps abseits der Trampelpfade. 

Mitten unter den Gondolieri

Sehr jung und sehr verliebt. Und ich wollte in Venedig heiraten, das ist doch der Traum eines echten Wieners. Nach der Trauung durch den Vizebürgermeister am Canale Grande hatte ich einen kleinen Tisch in einer Trattoria unweit des Markusplatzes gebucht. Zu Mittag allerlei Kleinigkeiten von Seespinnen über Sardinen bis zum Schinken – und das mitten unter den Gondolieri, die hier ihre Mittagspause verbrachten. Diese Trattoria „Alla Rivetta“ war auf Anhieb mein Lieblingslokal in Venedig. Der sympathische Chef Lino schenkte mir nach den Essen einen ordentlichen Grappa auf Haus ein, was ihn mir noch sympathischer machte. 

Trattoria Alla Rivetta
(C) Trattoria Alla Rivetta

Heute, ein paar Jahrzehnte später, steht Sohn Stefano an der Theke, Enkel Daniele unterstützt ihn. Und das „Alla Rivetta“ ist noch immer mein Lieblingslokal. Bei der Biennale, der größten Kunstausstellung der Welt, treffe ich dort viele Freunde aus deutschsprachigen Landen, die ich höchstpersönlich bei Lino, Stefano und Daniele eingeführt habe. Keine Angst, es gibt nicht nur die Cicchetti, die kleinen venezianischen Gabelbissen, sondern auch Spaghetti, Rigatoni, Gnocchi und Co, Fisch und eine erstklassige venezianische Leber.

2.000 Restaurants gibt es angeblich in Venedig, die meisten davon servieren lieblos Pizza und Pasta an schwitzende Touristen und sind nicht der Rede wert. Um was richtig Venezianisches zu finden, muss man sich ein bisschen auskennen. Bei der laufenden Biennale – Start im April, Finale im November – bin ich daher wieder mal um die venezianischen Häuser gezogen, um Neuentdeckungen zu machen.

Das Quartier Castello

(C) Scalinetto

Die Taverna „Scalinetto“ zum Beispiel, auf halbem Weg zwischen Markusplatz und den Giardinis, wo die Kunstshow stattfindet. Die überbordende Dekoration mit Fischernetzen und ähnlichem Klimbim ist nicht meine Sache, das Essen aber schon: Spaghetti Vongole mit Bottarga, schwarze Ravioli mit Fisch, die Gnocchi mit Perlhuhn und ein Radicchio-Risotto mit scharfer Wurst – und nachher serviert Paolo den Branzino in der Salzkruste, klopft das Salz ab und der Fisch ist genau am Punkt gegart. Ja, genau so etwas will ich in Venedig.

Dort im Quartier Castello findet man überhaupt die meisten, auch bezahlbaren Wirtshäuser der Lagunenstadt. Zwei Hostarias (also gehobenere Rastplätze) zum Beispiel. Die „Hostaria Castello“, wo zwei Junggastronomen einen tollen Job machen: Cucina Veneziana Moderna auf Holztischen – nicht nur die bekannte Pasta plus Pesce, sondern spezielle Kreationen des Hauses wie den gebratenen Tintenfisch mit Kartoffelschaum und Olivenpulver, Gnocchi mit Kabeljau und Erbsen oder ein Spanferkel mit Rosmarin und Polenta.

Local
(C) Local

Fast daneben, auf der anderen Seite der kleinen Brücke, das „Local“, wo Gastgeberin Benedetta noch einen Schritt weitergeht und gewagte, aber gelungene Kombinationen servieren lässt: Ein Tataki vom Lagunenfisch mit Fenchel und Apfel, die Ravioli mit roten Beeten und Eierschwammerln, den Aal mit Mais und Wasabi, die Wachtel mit Feige und Fois Gras. Ja, so etwas hat der etwas verstaubten Küche Venedigs gefehlt. Nur beim Wein heißt es aufpassen – die glasweise ausgeschenkten Produkte aus Friaul und Venetien sind absurd überteuert, 15 Euro für zwei Deziliter vom „normalen“ Pinot Blanc eine Zumutung. „Wir hatten schwere Zeiten in der Pandemie“, sagt die Chefin mit treuherzigem Blick. Versteh schon, Benedetta, aber übertreiben muss man bei der Refinanzierung der harten Monate auch wieder nicht.

Genug der Beschwerde. Ebenfalls in Castello angesiedelt ist ein Biennale-Klassiker, der nicht nur dem wagemutigem Gast gefallen wird: das „Corte Sconta“, wo die deutschsprachige Künstler-Elite seit Jahrzehnten ihre Erfolge feiert und ihre Enttäuschungen mildert. Friaulische Küche mit viel Fisch – am besten sitzt man im schönen Innenhofgarten und bestellt die Sconta-Platten: die Antipasti (Schwertfisch-Carpaccio, marinierter Tunfisch, eingelegte Seespinne, Venusmuscheln usw.) für den ersten Appetit und nachher die
gegrillten Adria-Fische um jeweils 28 Euro pro Person. Net schlecht, sagt da der Wiener und ordert einen Sauvignon Blanc aus Friaul dazu …

Kulinarische Gelüste

Enoteca Ai Artisti
(C) Enoteca Ai Artisti

Aber was gibt es sonst noch an „leistbaren“ Lokalen in der Lagunenstadt nicht nur während der Biennale, wo man diesmal für spannende Kunstobjekte zum Nebenschauplatz Arsenale laufen muss, weil in den Giardinis altbackene Reminiszenzen an vergangene Frauenpower und aktuelle Woke-Kultur dominieren? Na ja, ist halt der Trend, doch zurück zu den kulinarischen Gelüsten.

Nur fünf Minuten von der Ponte Accademia entfernt, findet man die „Enoteca Ai Artisti“ – wahrscheinlich eine der letzten originalen Venedig-Adressen. Dort trifft man mehr Einheimische als Touristen, um richtige Chicetti auszuprobieren. Oder, wenn man einen der fünf Tische ergattert hat, um auch zum Abendessen zu bleiben, mit knackigen Scampi, zarten Jakobsmuscheln und einem kleinen Filet vom Schwertfisch – alles angeblich aus der Lagune. Aber wer weiß das schon, ob’s stimmt, Hauptsache, es schmeckt.

(C) Osteria Alla Vedova

Auch gleich hinter dem Fischmarkt bei der Rialtobrücke wartet eine traditionelle Trattoria auf den Venedig-Besucher – allerdings mit modernem kulinarischem Einschlag. In der „Antiche Carampane“ werden der Stockfisch in Tomatensauce mit Polenta, der Tintenfisch mit Artischocken und die gebackenen Scampi mit Wasabi serviert. Und in die „Osteria alla Vedova
(also bei der Witwe) hinter dem Bahnhof treibt es mich wegen der Pasta. Die dicken Bigoli (die typisch venezianischen Nudeln) kommen mit Anchovis, die Linguine mit schwarzer Tintenfisch-Sauce und die Bucatini mit viel Speck, wie es sich „all’Amatriciana“ gehört – alles um jeweils zwölf Euro, da freut sich die
Familie, die von all dem probieren kann.

Zwischen San Marco und Rialto

(C) Ai Mercanti

Zum guten Schluss darf ich den geneigten Lesern noch weitere Lieblingslokale vorstellen, die bei keinem meiner Lagunenbesuche fehlen dürfen. Im Sommer zum Draußensitzen auf der kleinen, versteckten Piazza zwischen San Marco und Rialto (selbst mit Google Maps hab ich mich schon ein paarmal verirrt) das „Ai Mercanti“, das sich selbst als Gastrosteria bezeichnet – eine Art Bistro auf Italienisch und fest in weiblicher Hand. Nadia kocht, und Ania hat den Service im Griff. Die Kulinarik gewagt, aber ein Volltreffer, wenn man der normalen Italianatas überdrüssig ist: geräucherte Makrele mit Meeresalgen, Kabeljau in der scharfen Kokos-Limonengras-Suppe, Lamm mit schwarzem Kohl – einfach probieren!

Wenn die Qual der Wahl, vor allem wegen des quengelnden Nachwuchses, besonders groß ist, pilgern sie doch zu meinem Freund Gianni Bonaccorsi
am Campo di Santi Filipppo e Giacomo hinter dem Markusplatz. Gianni sitzt links in seiner Pizzeria „Aciugheta“, und Frau und Sohn Nicolo sind gegenüber für das Fine Dining im „Il Ridotto“ verantwortlich. Dort 16 verschiedene Pizzas für die hungrigen Kinder und da Sterneküche mit Kreationen wie Scampi/Lauch/Hering/Kräuter bis hin zu Schweinebauch/ Rippchen/Bohnen/Spinat für die Gourmet-Eltern. Und das Schöne dran: Man hat die Kleinen von der „feinen“ Terrasse aus fest im Blick, wenn die ihre Pizza futtern. Jung und Alt, gastronomisch getrennt und doch vereint.

Viva Venezia!

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