Die ganze Welt dreht sich ums Schnitzel

Deutsche TV-Starköche versuchen sich verzweifelt an der Panier, die „New York Times“ publiziert eine ganzseitige Handlungsanleitung, der „Figlmüller“ in Wien verkauft 400 Stück täglich im Take-away. Das perfekte Wiener Schnitzel – so funktioniert es.

Pandemiezeiten fordern mehr Schnitzel!

And the winner is … das Wiener Schnitzel! Wer hätte gedacht, dass in Pandemiezeiten „unser“ Schnitzel eine grandiose Renaissance erlebt. In Wien verkauft der „Figlmüller“ 400 Schnitzel pro Tag als Take-away. 

In Los Angeles ist das Schnitzel das meistbestellte Gericht auf der Speisekarte von Wolfgang Pucks „Spago“. In New York veröffentlicht die „Times“ einen ganzseitigen Artikel, wie man das perfekte Schnitzel zubereitet. 

In Deutschland schauen zwei Millionen Leute Tim Mälzer und Tim Raue zu, wie sie verzweifelt versuchen, das beste Wiener Schnitzel in „Kitchen Impossible“ auf Vox fertigzustellen. 

Und bei mir zu Hause ist der Druck von Frau und Kind so groß, dass ich wieder in den alten Rhythmus „Sonntag ist Schnitzeltag“ verfallen muss. Mehr davon später … 

Tim Mälzer und der chinesische Außenminister

Doch zurück zu Tim Mälzer: „Hut ab vor den Österreichern, die es geschafft haben, das Schnitzel in die gehobene Küche einzuführen. Denn eigentlich ist es ein Kinderessen – so wie alles, was frittiert wird, vom ‚Kentucky Fried Chicken‘ übers japanische Tonkatsu bis zum Backhendl. Wenig Geschmack, aber trotzdem gut!“ Na ja, über die geschmackliche Abwertung müssen wir noch reden, Tim.

Aber im Prinzip hat er recht. „Es gibt ganz wenige Fixpunkte in der Kulinarik, die nach einer Hauptstadt benannt sind“, sagt Thomas Figlmüller, der das väterliche Lokal zur „Heimat des Schnitzels“ hochstilisiert hat. Und alle, alle lieben es. Figlmüller: „Der chinesische Außenminister war einmal bei uns zu Besuch – auf die spätere Frage, was ihm am besten in Wien gefallen hat, hat er nicht den Stephansdom oder Schönbrunn genannt, sondern unser Schnitzel!“ Und Mario Lohninger, der in den 1990ern im New Yorker „Danube“ furios aufgekocht hat, erinnert sich: „Ich hab einmal für eine Party von Leonardo DiCaprio und Cameron Diaz gecatert. Was hat ihnen am besten geschmeckt? Die kleinen Schnitzel.“ Den Schlusspunkt der Promi-Begeisterung setzt Martha Grünauer, meine liebste, beste und leider zwischenzeitlich emeritierte Schnitzelköchin: „Der Udo Jürgens, mein Schwarm damals, Gott hab ihn selig, war einmal bei mir in der Küche und hat sich ein Wiener Schnitzel gewünscht …“

Historische Geschichten, paniert

restaurant figlmüller wien österreich
(c) Figlmüller

Ja, ums Schnitzel ranken sich Tausende Geschichten, auch historische. Sicher ist, dass das gebackene Fleisch erstmals im alten Konstantinopel auf den Tisch gekommen ist und sich dann, wahrscheinlich auf dem Seeweg, auch in Italien verbreitet hat. Ob es dann tatsächlich der berühmte Feldmarschall Radetzky nach Wien zum Kaiser gebracht hat, wie die Mär erzählt, wage ich zu bezweifeln. Egal, seit dem 19. Jahrhundert sind die „gebackenen Schnitzlein“ (so wurden sie damals in Kochbüchern erwähnt) auch in der K.-u.-k.-Monarchie ein Hit. Die Wiener Kochelite war ja immer gut darin, das Beste aus den Kronländern in die Wiener Küche zu „integrieren“, um es vornehm zu sagen – vom ungarischen Gulasch bis zu den böhmischen Palatschinken. Und nun, so die „New York Times“, kommt eben „the most celebrated cutlet in the world from Vienna“.

Also gehen wir es an, dieses weltberühmte Schnitzel im trauten Heim für das Sonntagsmahl zuzubereiten. Dank der Pandemie muss man ja alles selber machen – und ohnehin bin ich der Meinung, dass nur jemand, der ein Schnitzel richtig backen kann, auch eine Küche besitzen sollte.

Auf zu unserer Panierstraße!

DAS FLEISCH: Natürlich vom Kalb, nur das „Figlmüller“-Schnitzel kommt primär vom Schwein. Aber welcher Teil vom Kalb der beste fürs Schnitzel ist, da gehen die Meinungen auseinander. Martha Grünauer bevorzugt die Oberschale, Mario Lohninger die kleine Nuss und Reinhard Gerer, der damals in den 90ern im „Korso“ das Schnitzel in die Haute Cuisine gebracht hat, nimmt das Fleisch vom Kalbsrücken. Kleine Anmerkung meinerseits: Eine ordentliche Oberschale bekommt man beim Fleischhauer am leichtesten. Und nur ganz zart klopfen, damit es schön saftig bleibt.

DAS MEHL: Da besteht Einigkeit, es muss das griffige sein. Denn das glatte Mehl klebt zu sehr am noch feuchten Fleisch. 

DIE EIER: Eines pro Schnitzel, damit genug Eidotter dabei ist. Mit dem Schneebesen sämig schlagen. Ich salze das verquirlte Ei und nicht das Fleisch. Martha Grünauer mischt noch einen Schuss Sodawasser drunter, „damit das panierte Schnitzel später im heißen Öl ordentliche Blasen macht“. Darüber später etwas mehr.

DIE BRÖSEL: Unbedingt Weißbrotbrösel, aber ruhig mit der Kruste gerieben. Die deutschen Brösel sind meist ohne, dafür mit Paprika vermischt, damit das „Paniermehl“ schöner ausschaut. Ehrlich, das geht gar nicht. In Köln lebend, pilgere ich dafür zur österreichischen Feinkosthandlung – in meinem Haushalt wird der Einkauf dann als „Ösi-Brösel“ etikettiert.

DIE PANIER: Ja, das ist das Wichtigste am richtigen Schnitzel – die schönen Blasen oder Wellen, denn die Panier muss sich ja etwas vom Fleisch abheben. Der echte Koch, also nicht ich, bezeichnet das als „soufflieren“ – ein wunderbarer Ausdruck für eine einfache Sache. Doch so einfach ist’s gar nicht, da ist schon Tim Mälzer im TV verzweifelt. Er hat das trockene Fleisch mit Wasser besprüht, damit das verdampfende Wasser die Panier anhebt. Das hat meiner Katja so eingeleuchtet, dass sie bis heute beim Schnitzelkochen ihren – eigentlich für die Locken bestimmten – Wasserspray einsetzt. Man nennt das kreatives Kochen, aber Kochlegende Reinhard Gerer hält das Sprühen (sorry, Tim und Katja) für „Unsinn“: „Nicht zu heißes Fett, die Pfanne kreisförmig schwenken, sodass das Fett über das Schnitzel schwappt. Mehr braucht’s nicht.“ 

DAS FETT: Auch hier gibt’s kulinarische Diversität – ausreichend Butterschmalz (Gerer), Tafelöl mit Schweineschmalz (Grünauer). Lohninger mixt auch, allerdings Tafelöl mit echter Butter: „Schweineschmalz geht gar nicht, jedenfalls nicht bei der jüdischen Klientel in New York oder in Frankfurt, wo ich jetzt arbeite.“ Nach dem Ölbad das Schnitzel aus der Pfanne rausheben und auf eine Küchenrolle legen, damit das Fett abtropfen kann und nicht den Geschmack verwirrt. Ganz Pingelige bereiten noch eine zweite Pfanne mit zerlassener Butter vor und wenden das fertige Backwerk darin, um den Ölgeschmack endgültig zu loszuwerden. Man kann auch übertreiben, nicht wahr?

UND WAS GIBT’S ZUM SCHNITZEL? Einen ordentlichen Erdäpfelsalat (die Erdäpfel waren hoffentlich noch lauwarm, bevor sie mariniert wurden), vielleicht vermischt mit Vogerlsalat, eine halbe Zitrone zum Drüberträufeln – und sonst nix. Keine Pommes frites (außer für Kinder bis sechs Jahre), kein Ketchup (auch nicht für Kinder unter sechs Jahren) und auch keine Preiselbeeren. Ich weiß, da bekomm ich jetzt einen Shitstorm aus westösterreichischen Gefilden. Aber wenn ich Marmelade will, dann streich ich sie mir zum Frühstück aufs Brot und nicht zum Abendessen aufs Schnitzel.

restaurant figlmüller wien österreich
(c) Figlmüller

Den Hopfen vorab bitte

Und die Bierfans unter den Leserinnen und -Lesern bitte ich inständig, ihr Seidel oder ihr Krügerl vorher zu genießen. Denn ein ordentliches Schnitzel verlangt ganz eindeutig nach einem ordentlichen Wein. Am besten nach einem Grüner Veltliner, egal, ob aus der Wachau oder dem Weinviertel. Dann scheint die Sonne am Sonntag auch, wenn es regnet. 

Wie sagt der Hamburger Tim Mälzer so richtig: „Die österreichische ist die beste deutsche Küche.“ Und Reinhard Gerer ergänzt: „Das Wiener Schnitzel gehört zu den berühmtesten Speisen der Welt, darauf können wir stolz sein!“ 

Amen und Mahlzeit. Jetzt ist es Zeit, das geweihte Schnitzel liebevoll zu verspeisen.

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