The Hans in Rumänien & Bulgarien: Graf Draculas kulinarisches Erbe
Die rumänische Hauptstadt Bukarest weist eine lebendige Gourmetszene auf, die es wert ist, entdeckt zu werden. Und auch in der bulgarischen Metropole Sofia wird versucht, die traditionell eher schwere Küche in die Neuzeit zu hieven.
GUT ESSEN, GUT TRINKEN – in Rumänien und Bulgarien? Ja, liebe Freunde, das kann man, vor allem in Bukarest und in Sofia, wo viele des Business wegen hinfahren und einige, um Burgen und Schlösser, das Dracula-Land Transsylvanien und die Schwarzmeerküste zu besichtigen.
Ich war selbst überrascht, wie sehr sich diese beiden ehemaligen kommunistischen Hardcore-Länder seit damals verändert haben. Fangen wir in Bukarest an, wo sich die Menschen auf Grund ihrer Sprache lateinischen Ursprungs schon immer ein bisschen wie Italiener gefühlt haben. Das merkt man an den vielen Cafés in der Altstadt und an den neuen Restaurants, die in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen sind.
In einer renovierten Villa aus den 20er-Jahren hat sich eines der Besten etabliert, „The Artist“. Der Künstler selbst, Chef Paul Oppenkamp, kommt eigentlich aus Holland, aber er hat sich von seiner rumänischen Schwiegermutter alte Rezepte ausgeborgt und sie modernisiert, neue rumänische Küche sozusagen. Die geräucherte Forelle aus einem Bach in der Umgebung von Bukarest serviert er mit Gurke und Apfel, die originalen Kalbfleischröllchen mit Kraut und Quinoa, den Fisch mit Spinatrisotto und die Lammravioli mit roten Rüben und Tuica, einem rumänischen Pflaumenschnaps.
Und auch den Weinen kann ich nur Respekt zollen: der Furmint von Balla Geza und die Cuvée von Rasova, beides rumänische Weißweingüter, sind hervorragend – und das zum unschlagbaren Preis von 40 Euro je Flasche. „Am Anfang war’s natürlich schwer, da sind nur Ausländer und Expats zu uns gekommen“, erinnert sich Chef Paul. „Aber jetzt trauen sich auch die Einheimischen rein, das freut mich am meisten. Und die Schwiegermutter mit ihren Rezepten erst recht!“
Von innovativem Fine Dining bis zu neuen In-Restaurants
Fünf Autominuten weiter nördlich gibt es Fine Dining von Chef Radu, der erst seinen Business-Master in London absolviert und spätberufen kulinarische Karriere gemacht hat. Auch in seinem „Kaiamo“ wird „neue rumänische Küche“ angeboten, eher winzige Portionen Gemüse, Fisch und Fleisch mit viel Chichi – was Radu im Detail serviert, wird nicht verraten. „Der Chef lässt sich von Tag zu Tag von den frischesten Angeboten inspirieren“, heißt es blumig am Telefon. Na ja, also ein Lokal für Risikoliebhaber.
Da besuche ich lieber eines der neuen In-Restaurants von jungen Köchen, die gerade in Bukarest Furore machen. Das „Kané“ etwa vom „Top Chef“- Gewinner Alex Iacob, der im Baskenland gelernt hat, und das merkt man. Gelbe Rüben kommen mit Schokolade, das Huhn mit Morcheln und Pilzen sowie ein Rum-Dessert mit Joghurt-Eis und essbaren Wiesenblumen obendrauf. Oder man reserviert im „Noua“, ein bisschen weniger extravagant, aber dafür gemütlicher, trotzdem originell. Dort stehen Karpfen-Rogen mit Zwiebel und Pfannkuchen oder Schwarzmeer-Fisch mit Auberginen auf der Speisekarte.
ÜBERHAUPT KANN MAN in der rumänischen Hauptstadt wirklich hervorragenden Fisch konsumieren – nicht nur aus dem schwarzen Meer, sondern auch aus der nahen Türkei. Am besten ist man da im „Raionul de Peste“ aufgehoben, im kulinarischen Hotspot Floreasca im Norden der Hauptstadt. Dort wird der frische Fang in einer riesigen Kühltheke angeboten – auswählen, grillen lassen, essen. Gegenüber im „Fish House“ wird alles Meeresgetier als Carpaccio, Tartar oder Ceviche aufbereitet (besser als in den meisten Mittelmehr-Hochburgen) und der ausgewählte Fisch in Salzkruste serviert.
Wem der Sinn nach ordentlichem Fleisch steht, der muss nur ein paar Schritte weiter zu „Vacamuuu“ marschieren. An einer 15 Meter langen Theke kann man dort zwischen Steaks aus Australien, Japan, den USA, Frankreich oder aus dem heimatlichen Rumänien (nicht das Schlechteste übrigens) wählen – zu Preisen, zu denen ich zuhause höchstens ein kleines Rindschnitzerl bekommen kann. Und wer es ganz original rumänisch haben will, der pilgert zum Obor-Markt, dem größten Markt in Bukarest, wo es nicht nur richtig scharfe Radieschen, herrliche Salate und Mangold zu kaufen gibt, sondern auch die traditionellen „Mici“, große, saftige Cevapcici, so richtig zum Reinbeißen.
An schönen Frühlings- und Sommertagen zahlt sich die zwanzigminütige Taxifahrt zu den Bukarester Seen aus. Mein Lieblingsplatz ist das „Casa di David“, wo man im Herastrau-Park an runden Tischen im Garten den Blick auf den gleichnamigen See genießen kann – bei Pasta und Pizza, bei Steinbutt und Wagyu Beef, bei selbstgemachtem Eis und Sorbets. Und nachher ein guter rumänischer Schnaps und vielleicht noch eine Zigarre – besser kann man eine Business-Einladung nicht organisieren.
Bei der breiten Auswahl an kulinarischer Güte kann Sofia nicht mithalten, das ist klar. Aber auch in Bulgarien, dem Nachzügler im ehemaligen Ostblock, hat sich kulinarisch einiges zum Besseren gewendet. Die Stalin-Architektur prägt zwar noch immer die Stadt, aber die Newski-Kathedrale und das mittelalterliche Kloster Rila sind schon einen Besuch wert – und natürlich ein paar Restaurants ebenso.
Am besten schmeckt es mir im „Cosmos“, dort wird der Versuch gemacht, die traditionelle, schwere bulgarische Küche in die Neuzeit zu hieven. Gekochte Eier mit Joghurt und Käse vom Schaf, Knoblauchchips und geräuchertem Paprika, Fisch aus dem Schwarzem Meer mit Radieschen, das geröstete Zicklein mit Zitronenpfeffer und ein Schoko-Karamellkuchen mit Walnüssen und Pistazien sind vielleicht ungewohnt, aber nicht nur für Abenteuerlustige eine Entdeckung.
Auch das holzgetäfelte „Nikolas 0/360“ mitten in der Stadt traut sich einiges: Als Vorspeise werden Beef mit Schwanz und Zunge in einer scharfen Sauce mit eingelegten Gurken oder ein Brett mit besten Würsten und Käsen angeboten, dann kann man zwischen Kuttelrisotto, Schwarzmeer-Orzo mit Safran und Oliven und einer Entenbrust mit geröstetem Reis und eingelegtem Gemüse wählen. Ja, nix für einfache Geschmäcker, aber Probieren geht über Studieren, heißt es doch.
Genuss trifft auf Vielfalt
WENIGER RISIKOFREUDIGEN Feinschmeckern kann ich „Chef ’s Restaurant“ oder „Talents“ empfehlen. Beide sind ein wenig asiatisch inspiriert. Bei „Secret by Chef Petrov“ steht ein Menü mit 23 kleinen Gängen auf dem Programm, mit viel Gemüse-, Fisch-und Fleischhäppchen – alles gekonnt und leicht, aber mit mindestens zwei Stunden Verzehrzeit muss man schon rechnen. Und im Zweifel bestellt man in einfachen Lokalen einen Schopska-Salat: Tomaten, Paprika und Schafkäse mit selbstgemachtem Dressing, da kann nichts schiefgehen.
www.chefs-bg.com
+359896723222
chefpetrov.com
+359885111541
Wenn’s konservativ sein soll, aber mit viel Atmosphäre, dann besuche ich das altehrwürdige „The Clock House“, jetzt „Moskovska 15“ genannt. In den gemütlichen Gewölberäumen wird international gekocht: Fisch gegrillt oder in der Salzkruste (bitte vorbestellen!), US-amerikanisches oder einheimisches Steak – mit der wahrscheinlich besten Weinkarte von Sofia, ein Traum in bulgarischem Rot.
Eine Warnung von Freunden muss ich allerdings weitergeben. Im „Uhrenhaus“ speisen sehr gerne Politiker, vor allem die, die gerade regieren und es sich daher leisten können – und die Gespräche sind später auch schon mal dezent aufgezeichnet an die Öffentlichkeit gelangt. Also Geschäftsgeheimnisse eher bei sich behalten oder beim abschließenden bulgarischen Cognac im Garten ausplaudern.
clockhouse.bg
+359878167080
Man weiß ja nie – denn alles hat sich im Osten doch noch nicht verändert…
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