The Hans in München: Spitzenlokale und die besten Wirtshäuser

Kaum eine Stadt hat nach der Pandemie einen derartigen kulinarischen Aufschwung erlebt wie München. Gleich ein halbes Dutzend neuer Spitzenlokale steht zur Auswahl – mit zwei Österreichern in den Hauptrollen.

Der Österreicher Max Natmessnig hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Begonnen hat er – wie könnte es anders sein – bei Heinz Reitbauer im Wiener „Steirereck„, arbeitete dann beim begnadeten holländischen Koch Sergio Hermann und den Drei-Sterne-Etablissements „Eleven Madison Park“ und „Chef’s Table“ am Brooklyn Fare in New York, bevor er in die Heimat ins Zuger „Schualhus“ am Arlberg zurückkehrte. Genau dort hat der Eigentümer des Münchener Delikatessenkaufhauses Dallmayr nach dem Skifahren gespeist, war vollends begeistert und hat Natmessnig jetzt in sein Spitzenrestaurant „Alois“ neben der Frauenkirche abgeworben.

Die Spezialität des Ausnahmekochs: Die Rohprodukte des Tages (Fisch, Fleisch, Gemüse) werden dem Gast im Vorraum präsentiert, dann gibt es mehr als ein Dutzend Gänge in kleinen Portionen. „Am Tisch darf es nicht fad werden, da muss sich etwas abspielen“, erklärt der Küchenchef: „Daher stelle ich die meisten Teller am Tisch fertig und serviere sie selbst.“ Und das Schöne für den Max: Er kann alles auswählen, was diese wohl berühmteste Delikatessenhandlung Münchens anzubieten hat: „Ich fühle mich wie im Schlaraffenland.

Fine DINING. Der Vorarlberger Max Natmessnig (l.) wurde vom Dallmayr-Besitzer engagiert und kocht jetzt im „Alois“ groß auf. (c) Alois Dallmayr KG

Und so gibt es Forelle mit Wasabi, Entenleber mit Johannesbeere, Kürbis mit Seeigel, Saibling mit Buttermilch, Dorade mit Jalapeño, Rib-Eye mit Steinpilz, Taube mit Blutwurst und jede Menge Käse und Desserts. Am liebsten kombiniert Natmessnig Exotisches mit Einheimischem, zweieinhalb Stunden Zeit muss man sich aber schon nehmen, um das alles richtig zu genießen. Bei den Gästen kommt’s jedenfalls an, das „Alois“ ist fast immer ausgebucht.

Münchens neue, teure Spitzenlokale

München hat durch die und nach der Pandemie kulinarisch einen gewaltigen Aufschwung genommen. In den vergangenen Monaten wurde gleich ein halbes Dutzend neue Spitzenlokale eröffnet. Bei diesem Münchner Gastro-Beben spielt auch eine Vorarlbergerin eine Hauptrolle. Auch in ihrem Lokal ist es schwierig, ohne längere Vorbestellung einen Tisch zu bekommen.

Sigi Schelling war früher die rechte Hand von Hans Haas im „Tantris“ und hat sich nach dem Rückzug ihres Mentors selbstständig gemacht. Im „Werneckhof“ kocht sie jetzt groß auf wie einst im „Tantris“ und hat auch von dort die Gäste mitgenommen, die mit der neuen, rein frankophilen Führung gar nicht einverstanden sind. Ich gestehe es, ich gehöre dazu. Ich liebe ihre Entenleberterrine, den Glattbutt mit guten Ravioli, das Hirschkalb mit Blaukraut, ihre Topfennockerl und das Topfensoufflet mit Himbeeren und Rhabarber. Und sie kocht nicht nur exzellent, die Sigi, sondern auch heimatverbunden. Wild und Schwein kommt von der Alm des Bruders im Vorarlberger Hittisau, Hühner und Eier vom Cousin nebenan ebenfalls aus dem Bregenzerwald. Ihr Menü ist mit 195 Euro nicht wirklich billig, aber einmal muss man es sich leisten.

Da schlägt der Kollege Jan Hartwig schon ein wenig härter zu. Im „Bayerischen Hof“ hatte er drei Sterne erkocht, jetzt will er mit seinem eigenen Restaurant „Jan“ Furore machen. Beim Preis ist es ihm immerhin gelungen, 295 Euro für das einfache Menü ohne Weinbegleitung ist schon happig und fast Rekord für Deutschland. Da muss man nicht unbedingt dabei sein, denke ich mir, obwohl ich seine Foie Gras und das glasierte Kalbsbries im „Bayerischen Hof“ schätzen gelernt habe. Dort im „Atelier“ werkt zwischenzeitlich Anton Gschwendtner, der vor einigen Jahren im „Loft“ des Wiener „Sofitel“ begeistert hat und hier in München seine französisch-asiatische Küche (Kaisergranat mit Yuzu, Seehecht mit Shizo und die Challans-Ente mit Reisessig) auch deutlich preiswerter als sein Vorgänger serviert.

Und wenn wir schon bei fernöstlichen Tafelfreuden angekommen sind, darf man nicht auf den Deutsch-Japaner Tohru Nakamura vergessen, der seit Kurzem in der „Schreiberei“ um die Ecke vom Viktualienmarkt eine grandiose Crossover-Küche zelebriert. Diesmal aber eher in der Kombi Bayern-Japan, das Poltinger Reh wird in fermentierter Reispaste gebeizt oder der Lammrücken mit Umeboshi, den eingelegten Salzpflaumen, angerichtet

Das berühmte „Tantris„, das mit Jahrhundertkoch Eckhard Witzigmann, dem kürzlich verstorbenen Heinz Winkler und dem Tiroler Hans Haas deutsche Gastronomiegeschichte geschrieben hat, ist nach einjähriger Pause wiedereröffnet worden. Aber wie. Eigentümer Felix Eichbauer hat mit der Tradition seines Gründervaters Fritz gebrochen und das Restaurant in zwei Ableger der französischen Hochküche umgemodelt. Es heißt jetzt „Maison Culinaire“ und bietet als Menüfolge Casier, Encre, En Croute, Terre, Petit Farcis (und was immer sich dahinter verbirgt, von Sepia bis zur Taube jedenfalls) um 325 Euro an, die wohlfeile Weinbegleitung nochmals um 185 Euro dazu, also mehr als 1.000 € für zwei Personen. Geht’s noch? Offensichtlich ist das auch den Verantwortlichen bewusst geworden und man hat mit „Tantris-DNA“ einen „Billig-Ableger“ im eigenen Hause geschaffen, da kostet das Ganze nur noch die Hälfte. Auch nicht gerade wenig.

Abseits der Hochpreis-Kulinarik

Genug von der Hochpreis-Kulinarik, unsereins denkt bei München weiterhin vor allem an die wunderbaren Wirtshäuser und Biergärten, die die bayerische Hauptstadt zu bieten hat. Natürlich sind die Klassiker die gleichen geblieben. Ich sitze am liebsten im „Andechser am Dom„, wo Patron Sepp Krätz nicht nur Bratwürstl und Leberkäs anbietet, sondern auch sein Wagyu Beef, dass er selbst am Ammersee züchtet – und das natürlich auch in seiner „Waldwirtschaft“ bei Grünwald serviert wird. Oder man genießt den Schweinsbraten im „Fraunhofer“ an dunklen Holztischen mit Hirschgeweihen an der Wand.

Ähnliche Wirthaus-Originalität gibt’s auch im Gasthaus „Isarthor„, im „Schneider Bräuhaus„, wo seit 150 Jahren Weißbier gebraut wird. Wer es etwas vornehmer haben will, pilgert ins „Spatenhaus“ gegenüber der Oper – statt zum berühmten „Franziskaner„, dessen Qualität in den letzten Jahren deutlich gelitten hat.

Und wer dem Trubel im „Seehaus“ im Englischen Garten entkommen will, sollte nach dem Spaziergang im „Osterwaldgarten“ einkehren, mit dem besten Weißwurstfrühstück weit und breit. Aber auch bei den Wirtshäusern hat sich in der letzten Zeit einiges getan. Modern und hip geht es bei „Servus Heidi“ zu, wie schon der Name vermuten lässt. „Modern Bavarian Wirtshaus“ nennt man sich und serviert bayerischen Hot Dog (rein pflanzlich!) genauso wie ein 36 Stunden gegartes Wammerl (also Schweinebauch).

In der „Spezlwirtschaft“ in Haidhausen dudelt nicht Blasmusik, sondern Hip-Hop, trotzdem stehen Backhendl, Obazda sowie Erdapfelkas und Kaiserschmarrn auf der Karte. Und mit dem „Bodhi“ gibt sogar das erste vegane Wirtshaus mit Ente aus Seitan und Knuspersteak aus Soja, beides allerdings in gewohnter Dunkelbiersauce. Ja, in München tut sich einiges. Die feinen Restaurants hervorragend, aber schweineteuer. Und die Wirtshäuser ganz klassisch oder modern. Man kann es sich aussuchen.

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